_ No 19 - printemps 2008 Print

Gartenzerg und Spitzenleister

Das Image der Schweiz ist gut - wenn nicht gar ausgezeichnet. Dies ist nicht allein das Ergebnis unseres Engagements und unserer Arbeit. Historisch gesehen haben wir keine Feinde. Wenn unser Image angekratzt wird, dann geschieht das über eines unserer tragenden Symbole - die Banken.

Die Schweiz nimmt in den weltweiten Vergleichen die besten Plätze ein, und die Statistiken fallen oft zu ihrem Vorteil aus. Unsere weltweite Präsenz hat jedoch nichts mit unserer physischen Größe zu tun. Unser Image ist gut, aber nicht hochgeputscht. Es ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses, dessen wir uns nicht immer bewusst sind. Dieses Kapital wird nicht voll ausgenutzt. Bis vor kurzem gehörte es zudem zum guten Ton, nicht zu schweizerisch zu sein. Aber auch in der Schweiz ändern sich die Grundvorstellungen, und das Bundeskreuz ist nun auch bei uns in Mode.

Mit der Schweiz assoziiert man Sympathisches, und hinter den Makeln versteckt sich nicht selten ein wenig Neid von Seiten unserer Nachbarn. Schokolade, Uhren, Schweizer Messer, Kühe und Almen, saubere Luft, Berge, Ruhe, Sicherheit, Tourismus und Banken machen unseren Handelswert aus. Wir haben aber auch noch andere Trümpfe, die Teil unseres Reichtums sind. Unser Land existiert dank eines auf allen Ebenen, d.h. technisch und menschlich, eng gewobenen Netzes. Unsere Kommunikationsnetze sind gut, wenn nicht gar ausgezeichnet. Die Verbindungen zwischen den Regionen sind aktiv und dynamisch. Alle Einwohner dieses Landes sind Mitglieder in vier bis fünf Verbänden, Clubs und Vereinen. Auf jeder Ebene haben die Strukturen sämtlich Kooperationsvereinbarungen für Schulen, Dienstleistungen, die Feuerwehr, die Wasserwirtschaft und die Abfallentsorgung abgeschlossen. Niemand ist besser vernetzt als wir, und jedes Netz hat seine Spitzenkraft. Es gibt Tausende von Spitzenkräften in der Schweiz.

Die Macht der Assoziationen, die wir erwecken, und die Realität der beruflichen, freundschaftlichen und familiären Verbindungen verleihen uns gleichzeitig Offenheit und innere Kraft. Von außen gesehen ist die Schweiz angesichts ihrer sich überkreuzenden, ineinander greifenden, entgegengesetzten und überlappenden Strukturen ein komplettes Chaos. Von innen heraus betrachtet ist sie allerdings ein Raum auf einer höheren Ebene, in dem Beziehungen taktvoll, einvernehmlich und respektvoll sind. Auf unserer im Wandel befindlichen Welt müssen jetzt alle unsere Spitzenkräfte an die Zukunft denken, deren Partner wir sind. Wenn wir nicht von den Großen zerdrückt werden wollen, müssen wir uns auf anderen Gebieten behaupten - wie etwa der Bildung und Ausbildung und der Forschung und Innovation.

Innovation und Vision für die Spitzenposition

Die kleinen und mittleren Unternehmen sind in unserem Land sehr innovativ. Innovationsschranken gibt es nur wenige. Zu nennen wäre hier allerdings die Feindseligkeit der Banken und der öffentlichen Hand, die ihre Aufgabe bei der Finanzierung von Forschungsprojekten nicht wahrnehmen. Dies ist ein Widerspruch auf einem Markt mit starker Finanzkraft, auf dem die unternehmerische Innovation floriert. Die Wirtschaftspolitik könnte dieses Handicap korrigieren. Unsere Unternehmen stünden dann besser da und wären weltweit wettbewerbsfähiger. Ein weiteres sehr schweizerisches Handicap sind die strengen Gesetze oder vielmehr deren strenge Auslegung und Anwendung. Wir könnten beispielsweise in der Raumordnung Flexibilität an den Tag legen und alle behördlichen Voraussetzungen vereinfachen, wenn wir einige Kräfte unserer dienstbeflissenen Beamten neu ausrichteten. Unsere gewählten Vertreter müssten darüber nachdenken, einige Gesetze und Bestimmungen abzuschaffen, um dadurch den Umfang der Verwaltungsaufgaben einzugrenzen, die dem Wohlstand abträglich sind. Auch wenn der Staat nicht die Rolle der Banken übernehmen sollte, könnte eine innovative Steuerpolitik die den KMU von Seiten der privaten Investoren zugesagten Investitionen von der Steuer befreien. Das Beispiel Alinghi hat gezeigt, dass ein Geschäftsmann mit Herz und Leidenschaft mehrere kleine, leistungsstarke Unternehmen gründen und die Grundlagenforschung fördern kann. Es gibt mehr als 300 Ernesto Bertarellis in der Schweiz. Machen wir ihnen den Weg frei zu neuen Finanzierungsmodellen, um die Unvollkommeheiten des Kapitalmarktes zu korrigieren.

Narcisse Niclass